Wer wir sind
Wir sind die Gruppe „Solidarische Provinz“, die sich Ende 2016 gegründet hat. Die Treffen sind ein Zusammenschluss aus Menschen, die auch in anderen Initiativen an unterschiedlichen Ecken des Landkreises tätig sind und bildet ein Dach für politischen Austausch und Aktionen. Wir sind mit Geflüchteten verbunden. Unser Landkreis ist dünn besiedelt und für gemeinsame Treffen müssen zum Teil viele Kilometer überwunden werden. Weiter halten wir engen Kontakt zur Altmark.
Auf Wunsch der Geflüchteten gehen Unterstützer*innen oft mit zu den Terminen in die Ausländerbehörde etc.
Bürger*innen-Asyl
Im Oktober 2018 startete die Solidarische Provinz mit der Kampagne zum Bürger*innen-Asyl. Das Bürger*innen-Asyl im Wendland ist praktische Solidarität mit Geflüchteten und politisches Statement gegen die Migrationspolitik dieses Staates und des Landkreises. Mit einer öffentlichen Zeitungsanzeige erklärten 2018 knapp 120 Menschen, dass sie Menschen vor Abschiebungen schützen würden.
Abschiebungen und Widerstand
Zuletzt protestierten wir im Oktober 2019 vor und im Kreishaus gegen die Festnahme von zwei Geflüchteten, die am Vortag innerhalb des Kreishauses von Zivilpolizei abgeführt wurden. Die Ausländerbehörde hat – ganz ohne Druck durch das Bamf – Abschiebehaft beantragt und damit die Polizei zur Verhaftung ins Kreishaus eingeladen. Zum Glück scheiterten die Abschiebungen und beide Personen sind noch immer in Deutschland. Wie auch in der Vergangenheit wurde von Seiten der Verantwortlichen in der Verwaltung Anzeige gegen Geflüchtete und Unterstützer*innen gestellt. Diese Anzeigen sind der Versuch unsere Proteste zu kriminalisieren.
Immer wieder fordern wir ein Bleiberecht für alle und das Einhalten der eigenen Beschlüsse. So hatte der Kreistag im Dezember 2017 beschlossen über das Kontingent hinaus Flüchtlinge aufzunehmen. Dies wird jedoch nicht umgesetzt. Daran erinnern wir gerne und müssen es auch leider immer wieder tun.
Rundbrief der Solidarischen Provinz Wendland
Dezember 2019
Eine Solidarische Provinz macht noch keinen sicheren Hafen
– vom Landkreis forcierte Abschiebungen misslingen
Dieses Jahr wird mit einer Kampagne ein trauriges Jubiläum in den Blick genommen „100 Jahre Abschiebehaft – 100 Jahre unschuldig in Haft“. Dies ist der Ausländerbehörde des Landkreises vielleicht nicht bekannt. Einen negativen Beitrag haben sie trotzdem geleistet.
Ende September bzw. Anfang Oktober 2019 hat die Ausländerbehörde im Landkreis Lüchow-Dannenberg versucht zwei Geflüchtete nach Italien abzuschieben. Es handelt sich bei den bedrohten Personen um zwei Menschen aus Liberia, die bereits in der Vergangenheit viel Repression von Seiten der Behörden ausgesetzt waren. Zu einer Abschiebung kam es nicht und Beide befinden sich nun im nationalen Asylverfahren. Die Geflüchteten und ihre Unterstützer*innen haben sich, neben glücklichen Fügungen in Mitten der rassistischen Praxen, erneut erfolgreich gewehrt.
Hier die Ereignisse in einer Rückschau:
Eine der Personen hatte am 30.09.19 einen Termin bei der Ausländerbehörde (ABH) im Kreishaus Lüchow wahrgenommen, um seine Anlaufbescheinigung verlängern zu lassen. Der Ablauf seiner 18 monatigen Dublinfrist stand kurz bevor. Im Zimmer der ABH warteten jedoch zwei Polizist*innen in Zivil, um ihn festzunehmen. Der Person wurde kein Haftbefehl gezeigt, er wurde in Handschellen festgenommen und sollte abgeführt werden. Als die Polizist*innen im Treppenhaus des Kreishaus eine zweite Person sahen für die ebenfalls ein Haftbefehl beantragt war, nahmen sie auch ihn unter dem Ausruf „Da ist noch einer!“ fest – mit den Händen in Handschellen, ohne nach den Personalien gefragt zu haben und vor allem ohne den Haftbefehl vorzuzeigen. Die Beiden waren entsetzt, panisch, auch die Unterstützer*innen waren überrumpelt, es kam zu einem Handgemenge mit den Zivilbeamt*innen. Mitarbeiter*innen des Kreishauses griffen ein, der anwesende Pressesprecher des Landkreises Leu bestritt, dass die Verwaltung im Kreishaus Kenntnis von der bevorstehenden Festnahme – sprich von den anwesenden Polizist*innen in den Räumen des Kreishauses – gehabt habe. Recherchen von Unterstützer*innen bewiesen später das Gegenteil: Die Verhaftung der beiden betroffenen Personen war am 24.09.19 von Herrn Weber der ABH Lüchow schriftlich beantragt worden – Haftantrag bedeutet in diesem Zusammenhang: Festnahme durch die Polizei, Vorstellung bei Gericht, um einen Gefängnisaufenthalt zu bewirken, bis die Personen direkt aus der Haft heraus abgeschoben werden. Das Amtsgericht Lüneburg hat daraufhin am 26.09.19 ein telefonisches OK gegeben, am 27.09.19 entschieden und am 30.09.19 um 6.34 Uhr diese Erlaubnis per Fax an die ABH Lüchow geschickt. Am selben Tag fand die Verhaftung statt.
Die Betroffenen wurden am Nachmittag dem Haftrichter vor dem Amtsgericht Lüneburg vorgeführt. Auch im Gericht mussten beide Personen den Gefangenentransportgürtel mit Handschellen anbehalten und durfte keinen Anruf machen. Im Falle einer Person ergab sich, dass kein*e geeignete*r Übersetzer*in für seine Muttersprache eingeplant war und er deswegen nicht angehört werden konnte – er wurde wieder freigelassen. Die zweite Person wurde am Abend ins Abschiebegefängnis Hannover-Langenhagen gebracht, wo er bereits letztes Jahr sechs Wochen verbringen musste und freigelassen wurde, weil die Ausländerbehörde Lüchow- Dannenberg die Abschiebung (zum Glück!) nicht „ordnungsgemäß“ vorbereitet hatte.
Die freigelassene Person war bis zu Ende der Dublinzeit mit einem Attest krankgeschrieben und hat bis jetzt für diesen Zeitraum noch immer kein Geld vom Sozialamt erhalten. Unterstützer*innen besuchten den zweiten Mann im Knast. Er sollte am 11.10.2019 mit einem Linienflug ab Hamburg nach Italien abgeschoben werden. Dieser bekundete am Flughafen seinen Unwillen nach Italien abgeschoben zu werden und der Pilot des betreffenden Fluges weigerte sich, ihn an Bord zu nehmen. So konnte er wieder in den Landkreis zurückkehren.
Wir sind wütend über das gemeine und brutale Vorgehen: Ein Abgreifen bei einem Amtstermin, eine Inhaftnahme und keine Einsicht der ABH und des Landkreises in eigene Spielräume und Verantwortlichkeiten. Es gab noch weitere Gründe, die für Empörung sorgen. Einer der Geflüchteten war zum Zeitpunkt der Festnahme Hospitant bei der KURVE Wustrow. Dieses Praktikum mit Laufzeit bis zum 18. Oktober – über das Ende der Dublinfrist hinaus – war von der Ausländerbehörde selbst genehmigt worden. In einem Leserbrief an die EJZ vom 10.102019 schrieben Vorstandsmitglieder der KURVE, sie fühlten sich nicht nur getäuscht, sondern auch instrumentalisiert, um den Betroffenen in Sicherheit zu wiegen. Des Weiteren war die Abschiebung Anfang diesen Jahres für einige Monate ausgesetzt worden, weil ein psychologisches Gutachten bestätigte, dass der Geflüchtete auf Grund von erlebten Gewaltsituationen schwer traumatisiert sei. Ihn jetzt wieder in eine Gewaltsituation gebracht zu haben, die retraumatisierend wirken könnte, ist Teil dieser unmenschlichen Praxis. Auch dass der Mensch geäußert hatte, einer Abschiebung ggf. durch Selbsttötung entgehen zu wollen, war der ABH bekannt. Trotz alledem wurde zu solch drastischen Maßnahmen gegriffen. Der Landkreis hat sich bereit erklärt, über das Kontingent hinaus Geflüchtete aufzunehmen.Warum hält sich das Kreishaus nicht an den Beschluss des Kreistages? Es ist doch im Sinne dieser Entscheidung, den jeweils vorhandenen Ermessensspielraumauszuschöpfen. Laut Rechtsanwalt Peter Fahlbusch aus Hannover ist keine ABH „von oben“ verpflichtet Abschiebehaft zu beantragen. Es ist ohne Frage Platz und Geld für Geflüchtete im Landkreis. Junge Leute sind den Verantwortlichen Willkommen im Wendland, aber schwarz sollen sie nicht sein.
Am Tag nach den Festnahmen gab es eine Kundgebung im Kreishaus. 6 Polizeibeamt*innen vor der Eingangstür als dekorative Idee mussten 60 Menschen weichen, die ihrem Protest an Ort und Stelle Ausdruck verliehen haben. Ein Unterstützer, der bei der Festnahme dabei war, schilderte das Erlebte. Zwei Wochen später, nach der Ablauf der Dublinfrist, gab es einen erneuten Besuch von solidarischen Menschen im Kreishaus. Bei einer Diskussion mit dem Fachdienstleiter Ordnung Christian Schlenker im Foyer wurde ein großformatiges Foto des Abschiebeknasts Hannover-Langenhagen übergeben, aufgezogen wie eine Preisverleihung für den vorauseilenden Gehorsam.
Ein kleinerer, aber ebenfalls rassistischer Polizeieinsatz spielte sich im November ab. Ein Geflüchteter, der nachts in der Innenstadt von Lüchow lautstark telefonierte, wurde von einem Streifenwagen mitgenommen und sollte zwangsweise in die Psychiatrie eingewiesen werden. Dank der Unterstützer*innen, die die Person selbst kontaktiert hatte, sowie dank der besonnenen Haltung der Ärztin in der Notaufnahme kam es nicht soweit. Die EJZ wollte dazu nichts veröffentlichen.
Der Lüchow-Dannenberger Kreistag lehnte übrigens Ende September einen Antrag der Gruppe grüneXsoli ab, den Landkreis zum „Sicheren Hafen“ zu erklären. Ebenfalls abgelehnt wurde ein weiterer Vorschlag der Gruppe grüneXsoli, die überschüssigen Gelder, die der Landkreis für Geflüchtete bekommen hatte, zumindest teilweise in die Sanierung von Wohnungen zu investieren. Auch diese Forderungen haben wir als Solidarische Provinz aufgegriffen und unterstützt.
Wir stehen zusammen, unsere Solidarität ist grenzenlos! Wir fordern vom Landkreis:
- Bleiberecht für alle
- keine Abschiebungen und keine Beantragung von Abschiebehaft
- gewaltfreies und mitfühlendes Handeln gegenüber allen Menschen
- ein Ausnutzen der vorhandenen Ermessensspielräume
- die Offenlegung von Verantwortlichkeiten der Behörden
- ein ernsthaftes Sicheinsetzen dafür, dass Lüchow-Dannenberg ein sicherer Hafen für Schutzsuchende wird
- eine Beantwortung der schriftlichen Beschwerden von Unterstützer*innen