„Ein Stadtausweis für Menschen ohne gültigen Aufenthaltsstatus“

Josephine Schulz hat in Deutschlandfunk Kultur am 30.07. einen Beitrag über die City ID-Card gesendet.

Ohne Ausweis kann man keinen Mietvertrag abschließen, kein Bankkonto eröffnen, nicht einmal einen Bibliotheksausweis bekommen. Dazu kommt die ständige Angst vor Abschiebung. Denn wegen der sogenannten Übermittlungspflicht müssen staatliche Stellen Menschen ohne Papiere direkt an die Ausländerbehörden melden. Eine Möglichkeit, diesen Menschen das Leben zu erleichtern, könnte eine sogenannte City-ID sein.

Die Linkspartei will einen solchen Stadtausweis jetzt in Berlin einführen, laut Elif Eralp noch in dieser Legislaturperiode. Gerade werde das Vorhaben juristisch geprüft. Denn Konflikte mit dem Bundesrecht sind vorprogrammiert. Elif Eralp ist trotzdem optimistisch:
„Ich könnte mir vorstellen, dass es den Zugang zum Wohnungsmarkt verbessern kann, wenn man zumindest mit den landeseigenen Wohnungsgesellschaften Vereinbarungen treffen kann, dass sie den städtischen Ausweis akzeptieren müssen. Schwieriger wird das natürlich auf dem privaten Markt. Wie will man das erzwingen? Das wird dann natürlich problematischer. Beim öffentlichen Nahverkehr könnte man auch drüber nachdenken. Also all die Dinge, die unmittelbar ans Land gekoppelt sind und in Landeskompetenz liegen. Das wären Bereiche, wo das, denke ich, möglich ist.“

Rechtsanwalt Michael Plöse ist auf Verfassungs- und Polizeirecht spezialisiert. Auch er sieht bei den landeseigenen Einrichtungen Spielraum für solche Ideen. Zwar sei das Ausweisrecht Bundesangelegenheit, aber:
„Das Ausweisgesetz dient dem Identitätsnachweis, schließt aber nicht aus, dass es daneben noch andere gibt, für den innerbetrieblichen Bereich, sag ich jetzt mal, für Angebote wie es einen Schülerausweis gibt, wie es einen Abgeordnetenausweis gibt. Für die Nutzung bestimmter Einrichtungen kann Berlin das gerade für seine Einrichtungen klären.“
Das hieße aber nicht automatisch, dass Menschen ohne Papiere davor geschützt wären, dass öffentliche Einrichtungen sie an die Ausländerbehörden melden. Denn ausgenommen von der Übermittlungspflicht sind nur Schulen und Erziehungseinrichtungen, alle anderen müssen Verstöße gegen das Aufenthaltsrecht melden. Daran könne Berlin auch nichts ändern. Das gilt besonders für die Polizei. Hier befürchtet Plöse:
„Die Verwendung dieses Ausweises könnte von der Polizei als Indiz dafür gewertet werden, dass es eben keinen legalen Aufenthaltsstatus gibt.“
Eine Form von Schutz wäre der Ausweis für Menschen ohne Papiere also nur dann, wenn sie damit nicht auffallen. Dafür müssten möglichst viele Berliner die City-ID ganz selbstverständlich benutzen.

Symbolpolitik oder echte Verbesserung?
Das rot-rot-grün regierte Berlin will im Umgang mit Geflüchteten andere Wege gehen als der Bund. Seit Januar ist Berlin deshalb Mitglied im europäischen Städtenetzwerk Solidarity City. Die Städte bekennen sich dazu, Flüchtlinge aufzunehmen und ihre gesellschaftliche Teilhabe zu fördern. Berliner Initiativen, die sich für Geflüchtete und Menschen ohne Papiere einsetzen, sind allerdings enttäuscht vom Senat:
„Es ist jetzt nicht so, dass man sich vorstellen kann, dass Berlin da beigetreten ist und dann folgten irgendwie ganz viele Interventionen und Veränderungen und Anknüpfungen an die zivilgesellschaftlichen Initiativen, sondern erstmal haben die das gemacht und das war’s“, sagt Maria Hummel. Sie arbeitet beim Medibüro, einer Initiative, die Menschen ohne Papiere und ohne Krankenversicherung Arzttermine vermittelt.
Zusammen mit anderen Migranteninitiativen hat das Medibüro im Juni vor der Senatsverwaltung für Gesundheit einen Warnstreik organisiert:
„Berlin schmückt sich neuerdings mit dem Titel Solidarische Stadt. Lasst diese Solidarität dann auch praktisch werden und zeigt, dass ihr das ernst meint. Das bedeutet für uns, dass alle Menschen, die in Berlin leben, den gleichen Zugang zu städtischen Dienstleistungen haben sollen. Dazu zählt ganz klar auch das Recht auf Gesundheitsversorgung.“
Zwar hat der Senat jetzt einen anonymen Krankenschein eingeführt, mit dem Menschen ohne Papiere zum Arzt gehen können, dessen Finanzierung ist aber nicht dauerhaft gesichert.

Die „solidarische Stadt“ beim Wort nehmen
Und auch beim Schulzugang für Kinder ohne Papiere gibt es in Berlin weiterhin große Hürden.
„Das funktioniert nur in Einzelfällen und das ist viel Aufwand. Weil, die Frauen müssen begleitet werden. Du kannst nicht einfach allein als illegalisierte Frau mit deinem Kind dahingehen und sagen, mein Kind hat ein Recht auf Schule. Das wird nicht funktionieren“, sagt LLanqureil Painemal. Sie ist seit Jahren Mitglied in einer politischen Gruppe, in der sich Frauen aus Lateinamerika vernetzen, die in Berlin als Hausangestellte arbeiten – viele davon ohne Papiere. Llanqureil ist wütend:
„Diese Gesellschaft in Deutschland funktioniert nur, weil es solche Menschen gibt, die solche Arbeit machen.“
Auf Symbolpolitik haben die Menschen aus solchen Initiativen wenig Lust. Grundsätzlich finden sie die Idee einer City-ID gut. Aber nur dann, wenn es nicht bei einem Bibliotheksausweis bleibt, sondern echte Veränderungen in den existenziellen Lebensbereichen bedeutet, also Zugang zu Arbeit, Wohnen, Bildung und Gesundheit. Maria Hummel:
„Wenn man sagt, wir sind hier eine solidarische Stadt und wir wollen uns dafür einsetzen, dass alle Menschen, die hier leben, Zugang haben. Dann muss man halt ein bisschen mutiger sein. Das ist etwas, wo ich dann immer das Gefühl hab, diese Beitritte oder auch wenn man über sowas wie die City-ID-Card spricht, das klingt immer alles ganz schön, aber wenn das dann konkret wird, wenn es um die Ressourcen geht, die dann angezapft werden müssen, und dass sich Ämter und Behörden dann auch in ihren bürokratischen Strukturen ändern und anpassen müssen, dann werden da so viele Kompromisse gemacht, dass da am Ende fast nichts mehr rauskommt.“

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