Charterabschiebungen nach Afghanistan und nun sogar nach Sri Lanka, Einzelabschiebungen nach Somalia oder Äthiopien. Die Verantwortlichen kennen keine Tabus mehr. Die Politik der Ausgrenzung eskaliert weiter auf allen Ebenen: der Länder, des Bundes und auf europäischer Ebene insbesondere durch die Grenzschutzagentur Frontex. Abschiebungen um jeden Preis: in Krieg, in Verfolgung, in Armut und Perspektivlosigkeit. Nach Pakistan oder Nigeria, nach Tunesien und vor allem in die Balkanländer.
2020 gab es allein 122 Sammelabschiebungsflüge unter Beteiligung der Bundespolizei und mit finanzieller Unterstützung durch Frontex. Insgesamt wurden in dieser Zeit massiver Corona-Reisebeschränkungen mehr als 10.000 Menschen unter Zwang ausgeflogen. Dazu kommt die Ausweitung der Abschiebehaft. Ein Apparat der Erniedrigung und Gewalt. Institutioneller Rassismus!
Wir werden gegen dieses Unrecht weiter kämpfen. Mit Kundgebungen, Demonstrationen und Blockaden. In Solidarität mit den Betroffenen bei Last-Minute-Protesten im Flugzeug. Mit Kampagnen gegen die Kollaboration der beteiligten Fluggesellschaften. Und mit dem Auf- und Ausbau von Schutzstrukturen. Mit Kirchenasylen und Bürger:innenAsylen. Mit Zufluchtsräumen, mit Gästezimmern in Wohnprojekten, mit Couch-Surfing. Mit Aufrufen, Menschen in Not und Gefahr zu unterstützen und notfalls zu verstecken.
„Öffentliche Aufforderung zu Straftaten“ lautet die Anklage am 6. Mai in Aschaffenburg im Berufungsverfahren gegen Hagen Kopp von kein mensch ist illegal in Hanau. Weil er mit seinem Namen im Impressum der Webseite https://aktionbuergerinnenasyl.de steht.
Nachdem es im Juli 2020 vor dem Amtsgericht in Alzenau einen glatten Freispruch gab, hatte die Staatsanwaltschaft Aschaffenburg u.a. mit folgender Begründung Berufung eingelegt: „Durch den Aufruf ´von Abschiebung bedrohten Menschen Bürger:innenAsyl zu gewähren und sie auch notfalls in ihren Wohnungen zu verstecken` wird zu einer rechtswidrigen Tat aufgerufen. Dies wurde in der Öffentlichkeit auch objektiv so verstanden. Die Argumentation des Gerichts überzeugt nicht, zumal Menschen, die sich mit einer Duldung in der Bundesrepublik aufhalten, eben gerade derzeit nicht von Abschiebung bedroht sind und demzufolge nicht versteckt werden müssen, das sie aufgrund der Duldung gar nicht abgeschoben werden können.“
Die Staatsanwaltschaft hat offensichtlich keine Ahnung vom Asylrecht oder davon, wie Abschiebungen ablaufen. Dennoch sollte erwartet werden können, dass sie sich zumindest bei kompetenten Stellen erkundigt, bevor sie Berufung gegen ein immerhin sachliches erstes Urteil einlegt. Das obige Zitat aus der Begründung ist an Peinlichkeit kaum zu überbieten.
Denn die überwiegende Mehrzahl von Menschen, die in den letzten Monaten und Jahren abgeschoben oder zu diesem Zweck vorab in Haft genommen wurden, mussten mit einer Duldung leben, die sie nicht davor schützt, Nachts überfallartig von der Polizei aus den Betten geholt zu werden. Viele “Geduldete” leben in Unsicherheit und mit der ständigen Angst, dass sie jederzeit in ein Flugzeug nach Kabul oder Lagos, nach Tunis oder Tirana gezwungen werden können. Das ist die tagtägliche brutale Realität der Abschreckungs- und Ausgrenzungspolitik.
Wir werden das Berufungsverfahren in Aschaffenburg zum Anlass nehmen, die rassistische Gewalt der Abschiebungen und deren Eskalation in den letzten Monaten zu kritisieren und zu skandalisieren. Auf der Kundgebung im Anschluss an den Prozess werden wir deutlich machen, dass wir uns nicht einschüchtern lassen, sondern weiter kämpfen: für die offene Gesellschaft der Vielen. Für eine Zukunft mit gleichen Rechten für Alle, in der das tödliche Grenzregime und die brutale Abschiebepraxis als verbrecherisches Kapitel der Geschichte erscheinen werden.
Make deportations history.